GERDA STEINER & JÖRG LENZLINGER

Heimatmaschine
Expo’02 Pavillon Heimatfabrik, Murten


LANDSCHAFT: Linkerhand lagern die Harnstoffsäcke, so wie der Bauer sie als Dünger kauft. Der Harnstoff ist neben dem Regenwasser, welches dahinter in den Fässern gesammelt wird, und dem Sonnenlicht, welches durchs Dach hereindringt, der Rohstoff für die Heimatmaschine. Die Harnstoffperlen werden gesiebt, bevor man sie in die Rohre der Berieselungsanlage einfüllt, aus denen sie dann vom Himmel fallen und schliesslich die Landschaft bilden. An den Berghängen sammeln sie sich, lösen Lawinen aus und kullern in den Fluss, in dessen Wasser sie sich auflösen. Dabei entsteht Kälte, welche für den Kristallisator genutzt wird. Der Fluss ist ein geschlossener Kreislauf, der von einer Pumpe angetrieben wird. Im Laufe der Zeit verwandelt sich das Wasser in eine gesättigte Harnstofflösung und wird zur Nährlösung der Kristalle in der Heimatmaschine.

HEIMATMASCHINE: Die Heimatmaschine ist ein lebendiger Organismus, in seinem Adern -und Nervensystem pulsieren verschiedene farbige Säfte. Pflanzen und Kristalle werden mittels Pumpen mit Wasser und Harnstofflösung genährt. Der Kompressor (Lunge) versorgt die Membranpumpen, welche wie Herzen funktionieren, mit Luftdruck. Die Maschine ist hauptsächlich aus Überfluss- und Ausschussmaterial gebaut, direktes Recycling und Secondhand-Waren kombiniert mit hightech-Kompressor und Pumpen. Auf den Gestellen lagern Zutaten und Gedanken, die zur Heimatproduktion benötigt werden.

Der Rohstoff Harnstoff der Heimatmaschine ist künstlich hergestellt, er sorgt für das „Wirtschaftswachstum“ im Maschinenraum. Dieses Wachstum passiert wuchernd und schwer kontrollierbar. Die Veränderungen sind allerdings schleichend, es sind keine Explosionen, aber sie machen vor nichts halt (Dornröschen). Der synthetische Rohstoff ist selber ein Produkt der Wirtschaft, diese düngt sich somit selber und treibt den Glauben an die Künstlichkeit weiter an. In der Heimatproduktion verläuft nicht immer alles reibungslos. Zufälle, Fehler und Pannen bringen die Maschine genau so weiter wie ein Volltreffer bei den Zutaten. In diesem Labor des Erfinders müssen dauernd neue Zutaten und Kreisläufe ausprobiert werden. Es blüht, fault, schlingt sich hoch, wird von Läusen ausgesogen, kristallisiert, tropft, pulsiert, verflüssigt sich wieder, verbrennt gurgelnd. Die Heimatfindung ist eine lebenslange Arbeit.

KRISTALLISATOR: Raum der Sprachlosigkeit. In einem grossen Plexiglaszylinder befindet sich gesättigte warme Harnstofflösung. Ein geschlossener Kühlkreislauf lässt den Kristall tagsüber wachsen. In der Nacht stoppt der Kühlkreislauf und der Kristall löst sich wieder auf. Drei Umstände sorgen für die Kälte im Kühlkreislauf: Das Auflösen der Harnstoffperlen in der Landschaft, die Wasserberieselung am Aquarium in der Heimatmaschine und die Kühle der Nacht. Die Kristallisation hat die Kraft, eine neue Ordnung zu schaffen. Durch den Akt des Denkens bilden sich winzige kristalline Ablagerungen in unserem Gehirn. Während des Träumens in der Nacht lösen sie sich teilweise wieder auf.