GERDA STEINER & JÖRG LENZLINGER

Der Eilige Geist kommt zur Ruhe Pilgerort Kloster Schönthal , Langenbruck 2024

https://www.eiligergeist.ch

Grosse Teigprozession mit unglaublichem Pilgerfest, Dokumentation, 29min, Antshi von Moos und Pascal Kohler https://vimeo.com/1017488555



Wir nehmen Bezug auf Inhalt und Gestalt wunderkräftiger Wallfahrtsorte [i] mit

ihrem ganzen Potenzial und finden zu neuen Formulierungen. Es entsteht ein gross angelegtes, lebendiges Geflecht aus den Wurzeln dieses Ortes, welches bis in die Gegenwart und darüber hinaus reicht. Unser Standort in diesem Gefüge ist dabei konzeptionell betrachtet exzentrisch, kartografisch gesehen jedoch mittendrin: Seit 14 Jahren leben wir in Langenbruck und haben nun die Dorfgemeinschaft, Künstlerfreunde, Bekannte und Unbekannte animiert, aktiv am Kunstprojekt teilzuhaben. Das Projekt Der Eilige Geist kommt zur Ruhe ist als Prozess angelegt, der auch durch die Erfahrungen und Mitarbeit aller Beteiligten und Besuchenden entsteht. 

Das Kloster Schönthal und seine Umgebung verwandeln sich auf einzigartige Weise erneut zu einem Pilgerort.[iî]Die Teigprozession und das Pilgerfest sind der Auftakt, um diesen Pilgerort einzuweihen, begleitet von ortsspezifischen Andachtsorten, die den Weg von Langenbruck zum Kloster Schönthal säumen und auf dem Areal des Klosterensembles mit einer Hauptinstallation in der Kirche zusammenlaufen. Zusammengearbeitet wird hierfür mit allem, was im Verhältnis zum Kloster Schönthal stand und heute steht. Das Spektrum reicht von der bewegten Geschichte des Klosters (Gründung 1145) über die architektonischen Anlagen mit dem romanischen Kirchenbau (1187) bis hin zum klostereigenen Verein mit seinen in der umliegenden Juralandschaft eingebetteten Skulpturen sowie den Landwirtschaftsbetrieben und Menschen des nahe gelegenen Dorfes Langenbruck. Das Klosterensemble wird an den bekannten Jakobspilgerweg angeschlossen. Anhand einer Pilgerkarte sind die Besuchenden eingeladen, den Weg ins Schönthal bewusst zu Fuss zu entdecken.

499 Jahre nach der Plünderung und darauffolgenden Aufhebung des Klosters Schönthal wird die Geschichte dieses Mal «umgekehrt». Statt Plündern und Brandschatzen bringen wir Dorfvereine und Musizierende, Wanderprediger, Teigträgerinnen, Erleuchtete, «das Blaue vom Himmel Versprechende», Nonnen mit Peitschen, sündige Umweltschützerinnen, freudige Visionäre, Baumheilige, zukünftige Reliquienhändlerinnen, Ablassbuchhalter, bettelnde Bankangestellte, visionäre Freigeister, Papa-Razzi und viele Schaulustige: Sie treffen aufeinander und beleben den historischen Ort – er wird zum Generator glücklicher Zufälle. Mit dem Auftakt des Projektes beginnt in der Zeitrechnung des Klosters eine neue Phase. Die Ausstellung im Kirchenbau bietet die Möglichkeit, die Geschichte dieses alten Kraftortes zu reflektieren und neue Visionen zu entwickeln. Am Pilgerort Kloster Schönthal kann jeweils am letzten Samstag im Monat in Echtzeit und im übertragenen Sinne (mit)gebacken werden. Eine Liebeserklärung an diesen Ort.

 

Im historischen Kirchenbau befinden sich drei Hauptaltäre, welche die Wertschätzung des Elementaren zum Ausdruck bringen: Brot, Wasser und Salz. Der Brotaltar ist zugleich ein Backofen. Hier wird eine vielfältige Sammlung von kunstvollen Broterfindungen sowie Broten aus der ganzen Welt sorgfältig inszeniert. Während der Ausstellungszeit kann in der Kirche immer gebacken werden. Die dabei entstehenden Gerüche und Aromen, die den Kirchenraum duften und das Brot schmecken lassen, sind der Weihrauch der Inszenierung. Wer durch den Kirchenraum schreitet, gelangt draussen direkt in ein Weizenfeld, welches in Zusammenarbeit mit dem Hofgut Schönthal entstanden ist.

Eine vielfältige Ackerbegleitflora bereichert das Feld. Mittendrin steht ein Bett und lädt zum Ausruhen ein. Ende Sommer wird dieses Getreide geerntet, gedroschen, gemahlen und für das Backen von himmlischem Brot in der Kirche verwendet. So wird die Kirche wieder zu einem Ort der Umwandlung. Der Wasseraltar und der Salzaltar fokussieren auf die Urkräfte dieser beiden essenziellen Elemente.

Die Nebenaltäre sind: Altar für die Steine, Altar für die Eier, Altar für die Häuser, Altar für den Zweifel zwischen Keule und Beutel, Altar für die, die sich entschieden haben, keine Kinder zu machen, Altar für die Regenwürmer, Sex-Altar, Altar für die Schweine, Händy God, Altar für die Gutgläubigen und die Misstrauischen, Altar für das Unerhörte, Altar für die Fruchtbarkeit,

Altar für die Orte in deinem Gehirn, an denen du noch nie warst, und der Altar für Ma-a, die Gartengöttin.

In den letzten beiden Räumen der Kirche lauert ein äusserst vielseitiger Pilger-Souvenirshop für Körper, Geist und Seele. In der Gruft daneben ruht eine Schatzkammer für Knochen und Reichtum aller Art. Die Gebeine formieren sich zu Knochenkronen, Wertvorstellungen werden im Angesicht des Todes hinterfragt.

Das Schönthal ist aus allen Himmelsrichtungen zu Fuss erreichbar. Wer zu Fuss kommt, wird durch die grossartige Juralandschaft belohnt und kann die in verschiedenen Kooperationen kreierten Andachtsorte zwischen Langenbruck und dem Kloster Schönthal entdecken. Diese Orte laden zur Besinnung ein und nehmen Bezug zu bereits existierenden Gebäuden im Dorf und Strukturen in der Landschaft. Sie bieten Hilfe für in Not Geratene und in Not Geratenes an.

[iii]Die 14 Andachtsorte sind der Toleranz und dem Humor, den Vögeln, der Harmonie, der Diversität, dem Frieden, der Linde, dem Feuersalamander, der Gastfreundschaft, der Maus, dem Weizen, der Kuh, dem Lamm, den Wildschweinen und dem Schlaf gewidmet.

Die Andachtsorte sowie die mittelalterlichen Pilgerwege von Genf, Solothurn, Willisau, Zürich oder Basel zum alten Kraftort Kloster Schönthal sind auf einer digitalen Pilgerkarte zusammengefasst und einsehbar. Es gibt zwei spezielle Wegmarken: Die eine ist im Bahnhof Olten am Nullpunkt des Schweizer Schienennetzes auf Gleis 7 im Dienstraum des Kunstmuseums Olten: Der Altar des Eiligen Geistes. Die andere befindet sich im neuen Kunsthaus Baselland im Dreispitz Basel/Münchenstein: Der Altar für das Prekäre.

Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger


[i] 1463 wird das Kloster Schönthal als Marienwallfahrtsort erwähnt.

[ii] Im Mittelalter kamen Pilgerinnen und Pilger von den Städten Solothurn (Kirchweg), Zofingen (Massenbetfahrt 1519), Aarau, Olten und Basel (Pestausbruch in Kleinbasel 1463) ins Schönthal. Vgl. René Salathé, Das Kloster Schönthal. Kultur und Natur, Wabern-Bern 2000, S. 94f.

[iii]1511 beherbergte das Kloster Schönthal sechs Altäre: Im Chor erhob sich der Hauptaltar für Augustinus. Dazu gab es weitere Altäre, die den Aposteln, den Evangelisten, Ursula und ihren Begleiterinnen, den 14 Nothelfern, 10 000 Märtyrern, Johannes dem Täufer, Christophorus, allen Engeln, den Drei Königen, Erasmus, Rochus, Benedictus und vielen anderen mehr gewidmet waren. Vgl. René Salathé, Das Kloster Schönthal, Wabern-Bern 2000, S. 92f.

The Hurried Spirit Comes to Rest at Kloster Schönthal, a Place of Pilgrimage, Langenbruck 2024

https://www.eiligergeist.ch

Big dough procession with an incredible pilgrimage festival, Dokumentation, 29min, Antshi von Moos und Pascal Kohler https://vimeo.com/1017488555



In this project we make reference to the content and form of pilgrimage sites attributed with miraculous powers,with all their potential,and find new formulations. A great, vibrant fabric weaves itself from the roots of this place, extending into the present and beyond. Conceptually, our location within this fabric is eccentric; cartographically, however, it is right at the center. After living in Langenbruck for fourteen years, we have now animated the village community, artist friends, acquaintances and strangers to take active part in the art project. Entitled Der Eilige Geist kommt zur Ruhe (The Hurried Spirit Comes to Rest), it is conceived as a process emerging in good part from the experiences and participation of everyone involved, including the visitors.

In a very unique way, Kloster Schönthal and its surroundings are once again transforming into a pilgrimage destination.  The Dough Procession and Pilgrims’ Fest consecrating the site formed the prelude, accompanied by place-specific devotional stations lining the route from Langenbruck to the monastery and converging in the church within its grounds. Everything bearing any relation to Kloster Schönthal in the past and present is invoked and involved: from the monastery’s colorful history since its foundation in 1145 to the architectural structures, among them the Romanesque church (1187), to the monastery’s sculpture park with its contributions embedded in the surrounding Jura landscape, to the farms and people of the nearby village of Langenbruck. For the duration of the project, the Schönthal ensemble is linked to the famous pilgrimage Way of St James. With the aid of a pilgrims’ map, visitors are invited and deliberately encouraged to make their way to the monastery on foot.

Four-hundred and ninety-nine years after the sacking and subsequent dissolution of Kloster Schönthal, history is now being “reversed.” Rather than plundering and pillaging, we bring together village associations and musicians, itinerant preachers, dough bearers, the enlightened, promisers of “the blue from the sky,” nuns with whips, errant environmental protectionists, joyful visionaries, tree saints, future relic dealers, indulgence bookkeepers, begging bank clerks, visionary freethinkers, paparazzi and lots of curious onlookers. They encounter one another and enliven the historical site, which for its part becomes a generator of happy coincidences. The start of the project marks the beginning of a new era in the monastery calendar. The exhibition in the church offers an opportunity to reflect on the history of this age-old place of power and develop new visions. On every last Saturday of the month, baking workshops at the Kloster Schönthal pilgrimage site welcome visitors, both in real time and in a metaphorical sense. A declaration of love to this place.

In the historical church building, three main altars lend expression to an appreciation for the elementary: bread, water and salt. The Bread Altar doubles as an oven. A widely varied selection of artful bread inventions as well as breads from all over the world are carefully staged here. Throughout the exhibition it is possible to bake in the church. The aromas that come about as a result fill the church and give the bread its taste, are the frankincense of the enactment. Those who make their way through church interior and out the other side find themselves in a wheat field created in cooperation with the Schönthal Farm.

Diverse accompanying flora enriches the field. At the center is a bed – an invitation to rest. At the end of the summer, the grain will be harvested, threshed, ground and used to bake heavenly bread in the church. The church will thus once become a place of transubstantiation. The Water Altar and the Salt Altar focus on the primal powers of these two essential elements.

There are also side altars: for the stones, the eggs, the houses, the doubts between club and pouch, for those who have decided not to have children, the worms, sex, the pigs, the cell phone god, the gullible and the skeptical, for the unheard, fertility, the places in your brain you’ve never been and the garden goddess Ma-a.

Lurking in the last two rooms of the church is a pilgrims’ souvenir shop with a highly multifarious range of products for body, mind and soul. In the adjacent crypt rests a treasure chamber for bones and riches of all kinds. The bones form crowns; value conceptions are questioned in the face of death.

Schönthal can be reached from every direction. Those who come on foot are rewarded by the magnificent Jura landscape and the opportunity to discover devotional sites created in various collaborations between Langenbruck and Kloster Schönthal. Bearing reference to already existing buildings in the village and structures in the landscape, these sites are invitations to reflect. They offer help to persons and things in need.  Numbering fourteen in all, they are devoted to tolerance and humor, birds, harmony, diversity, peace, the linden tree, the fire salamander, hospitality, the mouse, wheat, the cow, the lamb, wild boars, and sleep.

The devotional sites as well as the medieval pilgrimage routes from Geneva, Solothurn, Willisau, Zurich and Basel to the magical ancient Kloster Schönthal are all marked on the digital pilgrims’ map. There are two milestones, one in Olten railway station at the zero point of the Swiss rail network on platform 7 in the service room of the Olten Art Museum: the Altar of the Hurried Spirit. The other is in the new Kunsthaus Baselland in the Dreispitz Basel/Münchenstein: the Altar for the Precarious.

  Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger