Das Wasserloch
ACCA Melbourne, 2008
Umgeben von bunten lärmigen Vögeln, erwachen wir im feuchten, üppigen
Farnpalmenwäldchen, direkt unter dem Yarra-Damm - der schrumpfenden
Trinkwasserversorgung von Melbourne. Das gestaute Wasser schiesst in
einem dicken Rohr in die durstige, boomende Stadt hinunter, sich in
Millionen kleinere Rohre verzweigend, bis es von Waschbecken, Duschen
und Badewannen - den urbanen Wasserlöchern - verschluckt wird. Zwischen
den Farnpalmen und dem tropfenden Autowaschschwamm liegt eine
vertrocknete Landschaft. Die Menschen der Stadt sperren sich meistens
alleine in kleine Räume ein, um dort an den urbanen Wasserlöchern
Rituale zu zelebrieren, bei denen das Wasser nachher immer dreckiger ist
als vorher. Es ist Zeit, die Situation umzukehren. Aber Vorsicht:
"Stolpergefahr beim Blick in die Weite!" - schon die Betrachtung der
Natur ist gefährlich.
Zur Umpolung muss man durch einen langen, mobiltelefondichten Tunnel
wandeln; ein Skelett aus trockenen Ästen, das mit Überlebensfolie
überzogen ist. Jeder Schritt löst eine Bewegung dieser hauchdünnen Haut
aus. Die alten Gewohnheiten verflüstern sich im Rascheln. Die
schlangenartige Verdauung führt in die zukünftige Traumzeit:
Wasserflaschen, Eimer, Trichter, Toiletten, Waschbecken, Duschhauben,
Regenschirm und Badewanne strecken sich dem Nachthimmel entgegen, um den
Regen anzulocken und aufzufangen. Weil sie nicht besonders attraktiv
sind, erhalten sie Unterstützung von einer verführerischen Vegetation,
zusammengesetzt in China, auseinander genommen und mit der australischen
Flora verschmolzen in Footscray, dem Immigrantenquartier von Melbourne.
Der Spiegelung dieser anziehenden Schönheit in einem Altölsee kann
nichts widerstehen. Die ersehnte Fruchtbarkeit wird durch
kristallisierendes Kunstdüngerkonzentrat beschworen. Neben den furzenden
Bohnen schlüpfen haarige Mobiltelefonspinnen aus mutierenden Eiern und
spielen mit herumliegenden Knochen. Das Rohrsystem vereint all die
urbanen Wasserlöcher und ist bereit, den sehnsüchtig erwarteten Regen in
das Lehmloch auf dem goldenen Bett zu geleiten.
Wissenschaftler lieben es Wasserlöcher zu beobachten. Sie sind der Ort,
wo neue Lebensformen entstehen, die Jagdgründe, wo Leben und Tod
einander die Hand schütteln. Filme über Tiere am Wasserloch enden meist
tragisch und mit sentimentalen Kommentaren.
Gut getarnt hinter dem Wasserloch liegt der Beobachtungsraum. Von hier
aus, im Dunkeln, isoliert von der Innenwelt, hat man die Übersicht und
die Möglichkeit, seine eigene Spezies und ihr Verhalten in einer
umgekehrten Umgebung zu studieren. Sauber aussehendes Trinkwasser steht
zur Verfügung.
Und wenn der Regen wirklich nicht wiederkommt, können wir immer noch
unsere Tränen trinken. Im letzten Raum macht man nochmals einen Schritt
zurück und sieht die Leute auf einem Überwachungsmonitor im
Beobachtungsraum Wasser trinken. Auf dem Arbeitstisch sind Experimente
aufgebaut, welche mit Hilfe einer sehr kleinen Entsalzungsanlage Tränen
in Trinkwasser umwandeln.
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The Water Hole
ACCA Melbourne, 2008
Surrounded by bright noisy birds, we awake in the damp, luscious
fern-covered grove directly beneath the Upper Yarra Dam - the dwindling
water supply for Melbourne. The dammed water shoots down a thick pipe
into the thirsty, booming city below, branching off into millions of
smaller pipes until it is swallowed up in wash basins, showers and
bathtubs - the urban water holes. Between the ferns and the dripping car
wash sponge there lies a dried out landscape. The people of the city
barricade themselves in little rooms, mostly alone, to celebrate the
urban rituals of the water hole, after which the water is always dirtier
than it was before. It is time to turn this situation around. But be
careful: «Watch your step while gazing at distant view! » - Even just
looking at nature is dangerous.
To turn things around one has to stroll through a long, mobile phone
proof tunnel - a skeleton of dried branches covered in survival
blankets. Every step causes this flimsy skin to move. Old habits get
whispered away in the rustling. The serpentine intestine leads to the
dream time of the future: water bottles, buckets, funnels, toilets, wash
basins, shower caps, umbrellas and bathtubs reach up towards the night
sky to lure down the rain and capture it. Because they are not
particularly attractive, they receive support from seductive vegetation
which was made in China and has now been taken apart and blended with
the Australian flora in Footscray, the immigrant quarter of Melbourne.
Nothing can resist the reflection of this winsome beauty in a pool of
old motor oil. The desired fertility is attested to by the crystallizing
artificial fertiliser concentrate. Alongside the farting beans, hairy
mobile phone spiders hatch from mutating eggs and play with the bones
that are scattered around. The network of pipes links all the urban
water holes and is ready to channel the eagerly awaited rain into the
clay pit which lies on the golden bed.
Scientists love observing water holes. It is here that new life forms
come into being, the hunting ground where life and death shake hands
with one another. Films about animals at a water hole usually end
tragically, and with sentimental commentary.
Behind the water hole is the well-camouflaged observation room. Here in
the dark, isolated from the inner world, you get an overview. You also
get the opportunity to study your own species and your behaviour in a
reversed environment. Drinking water that appears to be clean is
available.
And if the rain truly never comes again, we can still drink our tears.
In the last room you take another step back and you watch the people in
the observation room drinking water on a surveillance monitor. On the
desk, experiments turn tears into drinking water with the help of a tiny
desalination plant.
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