GERDA STEINER & JÖRG LENZLINGER

Moos und Flechten

Kongresshaus Zürich 2022

 http://www.steinerlenzlinger.ch/?cat=144



Wie andere architektonische Elemente im Kongresshaus sind auch viele der historischen Terrazzoböden ornamental gestaltet. Dies nahmen Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger zum An-lass, ihr Werk in der Gartensaalpassage ebenfalls für den Boden zu entwickeln. Dem Thema des Gartens, das dem ganzen Gebäudeflügel den Namen gibt, haben sie bereits mit ihrem «Maskenball der Biodiversität» im Gartensaalfoyer üppig und glanzvoll Reverenz erwiesen. In der Passage geht es nun um Moos und Flechten. Diese biologisch hochinteressanten Ge-wächse – so sind etwa Flechten keine Pflanzen, sondern eine Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien oder Algen – sind als Pioniere ökologisch wichtige Wegbereiter für Pflanzen, die später auf ihrem Humus wachsen. Wenn sie sich von den Ritzen ausgehend auf dem Verbundsteinboden ausbreiten, werden sie von ordentlichen Hobbygärtner*innen jedoch meist umstandslos weggekärchert. Diese Flora non grata, das ungeliebte Pflanzengut, setzen Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger mit ihrer Intarsienarbeit für einmal ins Zentrum. Wie in der Natur breiten sich ihre Gewächse von den Fugen des hellgrauen Terrazzobodens ausgehend über die Platten, bilden lockere und dichtere Felder, die in ihrer Farbigkeit und ihrer Formenvielfalt überraschen. Die Intarsien wurden in Zusammenarbeit mit der Firma Salgado NaturStein ausgeführt. Nach der Übertragung der Entwurfszeichnungen auf den Boden wurden einzelne Elemente etwa 5 mm tief ausgespitzt und mit eingefärbtem Kunststein ausgespachtelt. Wenn sie getrocknet waren, konnte der Boden geschliffen und das nächste Element in Angriff genommen werden. Oder gleich mehrere, wenn sie sich nicht berührten. Am Ende wurde der gesamte Boden wieder versiegelt. Das beschwingt festliche, heitere Werk besticht mit seinem Detailreichtum, in dem organi-sche Formen zu finden sind, die an das Formvokabular von modernistischen Künstler*innen erinnern und damit wiederum einen Bezug auf die Bauzeit des Hauses schaffen. Gleichzeitig stellt es ganz spielerisch vermeintliche Gewissheiten über Kraut und Unkraut in Frage und feiert den Charme des Ruderalen.

Hubert Bächler, Fachstelle Kunst und Bau

Siehe Text JacquelineBurckhardt:
https://http://www.steinerlenzlinger.ch/?cat=144